Wissenslücken lassen sich später füllen – Entwicklungsphasen nachleben aber nicht.

Beschluss vom 9. Februar 2021

  1. Die Senatsbildungsverwaltung sowie alle Verantwortlichen an Schulen werden aufgefordert, insbesondere den jüngsten Schüler*innen von Grundschulen, den Jahrgängen 1 bis 3, nach dem 8.2., spätestens aber zum 15.2. Präsenzzeit in der Klassengemeinschaft zu ermöglichen, sofern sich nicht eine völlig neue Lage in der Pandemie ergibt.

    Die Expertise der Kinder- und Jugendärzte über die erheblichen Auswirkungen auf die Entwicklung insbesondere der jungen Kinder in Verbindung mit den Erkenntnissen, dass Kinder bis zu 10 bzw. 12 Jahren in nur sehr geringem Umfang zum Infektionsgeschehen beitragen, soll in allen Entscheidungen über die Öffnung der Schulen wie auch zur Schulorganisation maßgeblich zu Rate gezogen werden.

    Die Anordnung der SenBJF vom 08.01.2021 mit dem Aussetzen der Präsenzpflicht für alle Primarschüler*innen darf für die Klassen 1-3 der Grundschulen nicht über die Winterferien hinaus fortgeführt werden. Stattdessen soll folgende Regelung vom 06.01.2021 schnellstmöglich grundsätzlich Gültigkeit erhalten:

    „Die Jahrgangsstufen 1 bis 3 des Primarbereichs werden in festen Lerngruppen (halbierte Klassenstärke) unter Wahrung der Abstands- und Hygieneregeln unterrichtet. Es ist ein Präsenzunterricht für jeden Schüler und jede Schülerin von mindestens drei Stunden täglich sicherzustellen.“

    Hierbei soll den Schulen Gestaltungsspielraum für angepasste organisatorische Lösungen gegeben und die von SenBJF am 6.1.21 genannten Präsenzzeiten -unter Einbeziehung der Schulgemeinschaft- eigenverantwortlich über einen Zeitraum von zwei Wochen organisieren zu können.
  1. Auch bei der sehr geringen Infektiosität der Kinder bis 10 Jahren sollen die in der gemeinsamen Stellungnahme der DAKJ (Deutsche Akademie der Kinder- und Jugendärzte), der DGPI (Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie) und des Lehrerverbandes vom 2.01.2021 aufgeführten Hygienemaßnahmen für den Präsenzbetrieb so weitgehend wie möglich beachtet und umgesetzt werden:

    „Der Infektionsschutz an Schulen ist deutlich zu verbessern.
  • Alle Unterrichtsräume und Lehrerzimmer müssen belüftbar sein.
  • Der Abstand von 1,5m muss bei Wechselunterricht eingehalten werden können.
  • Lehrkräften sollen zum Gesundheitsschutz in ausreichender Zahl geeignete Atemschutzmasken zur Verfügung gestellt werden, auch um nicht zu Kontaktpersonender Kategorie 1 zu werden.
  • Schnellteste auf Infektionen mit SARS-CoV-2 sollen bedarfsorientiert an Schulen vorgehalten werden
  • Die Sanitäranlagen sollen in einen hygienisch einwandfreien Zustand versetzt werden.
  • Der Transport in Schulbussen und im öffentlichen Personennahverkehr ist unterHygienegesichtspunkten zu regeln.
  • Lehrkräfte als Hygienebeauftragte sind in jeder Schule vorzusehen.
  • Strukturierte Ausbruchsanalysen bei Infektionsfällen in der Schule durch dasGesundheitsamt sind verpflichtend.
  • Außerdem sind Schulöffnungen und Schulschließungen durch wissenschaftlicheUntersuchungen zu begleiten.

Falls möglich sollten Schulen für die Einhaltung der Mindestabstandsregeln zusätzliche Räume zur Verfügung gestellt und außerdem deutlich mehr Busse eingesetzt werden, zumal diese derzeit ausreichend verfügbar sind. Noch ist unklar, wie neue Virusmutanten z.B. die südenglische Linie B1.1.7 das Infektionsgeschehen beeinflussen könnten. Aber die gemeinsam empfohlenen Maßnahmen könnten auch bei anderen Mutanten das Infektionsrisiko minimieren.

Das Recht von Kindern und Jugendlichen auf Bildung und Betreuung sowie ausreichender Gesundheitsschutz für Lehrkräfte und Schüler müssen gleichermaßen berücksichtigt und gewährleistet werden.“

https://www.dakj.de/pressemitteilungen/gemeinsamer-appell-von-kinder-und-jugendaerzt-inn-en-und-lehrkraeften/

  1. Im Unterschied zu dem Präsenzunterricht der Klassen 1 bis 3 sind die Hygieneregeln auf Grund der möglichen höheren Infektiosität strikter zu beachten (siehe dazu weiter unten). Für die Schüler*innen der Jahrgänge 4 bis 6 und der Mittel- und Oberstufe sollen die Möglichkeiten von (teilweise) Präsenzzeit – ergänzend zum SaLzH – unter Fortentwicklung/Anpassung der Hygienemaßnahmen zum Beginn des zweiten Halbjahres überprüft werden. Auch hierfür sind die Stellungnahmen und Ratschläge der Kinder- und Jugendärzte unter Einbeziehung aktueller Forschungsergebnisse maßgeblich. Für die organisatorische Umsetzung einer auf die Schüler*innen abgestimmten Struktur von Lernen in kleinen Gruppen (zur Einhaltung von Abstand und Luftqualität) in der Schule sowie individuellem Lernen Zuhause sollen den Schulen -unter Einbeziehung der Schulgemeinschaft- Gestaltungsspielraum gegeben werden. Die individuellen Bedürfnisse der Schüler*innen nach Struktur, Kommunikation, Unterstützung und nach Bereitstellung von technischer / räumlicher Infrastruktur und anderen Bedarfen sollen hierbei im Vordergrund stehen.
  1. Bei allen Maßnahmen und Folgemaßnahmen für alle Jahrgänge ist die Förderung des seelischen, geistigen und gesundheitlichen Wohlergehens des Kindes/Jugendlichen als absolut prioritär zu erachten. Wissenslücken können im späteren Leben gefüllt werden, Entwicklungsphasen aber nicht nachgelebt werden! Defizite an Bewegung, Kontakten und Beziehungen, die den Kindern und Jugendlichen bisher abverlangt worden sind, lassen jetzt schon Langzeitfolgen auch für die spätere Entwicklung befürchten. Der Ausgleich dieser Defizite soll jetzt Priorität bekommen.
    Es sind Abstriche an Unterrichtsstoff und an den Rahmenlehrplänen aktiv vorzunehmen. Präsenzzeit soll vornehmlich für die Unterstützung des seelischen und gesundheitlichen Wohlergehens für die Schüler*innen genutzt werden, um den Schaden für die Schüler*innen und Jugendlichen möglichst gering zu halten. Beziehungsarbeit sowie Coaching durch die Pädagog*innen für die Schüler*innen zur Bewältigung der aktuellen Pandemiesituation sollen Vorrang haben vor der Wissensvermittlung und dem Abprüfen von Lernerfolgen.
  1. Der BEA appelliert an alle für schulische Bildung Verantwortlichen sowie an Elternvertreterinnen und Elternvertreter – und legt es sich als Selbstverpflichtung auf – in ihren Entscheidungen/Empfehlungen/Beschlüssen zu Schul- und Kitaschließungen aufgrund der Corona- Pandemie,
    • im Besonderen die Expertisen der Kinder – und Jugendärzte zur Kenntnis zu nehmen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen,
    • die Erfahrung und Expertise von Pädagog*innen, Schulsozialarbeit und Schulpsychologie einzubeziehen und
    • im Besonderen diejenigen Familien und Kinder/Jugendlichen zu berücksichtigen, die auf Grund ihrer sozialen Lage am härtesten betroffen und von möglichen gesundheitlichen und sozialen Folgen am stärksten bedroht sind.

Der Beschluss wurde unter Anwendung von § 116 Absatz 3 Satz 2 gefasst.

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